Wenn das Wohnzimmer zur Arche Noah wird
Montag, 1. Februar 2021
Die Haltung exotischer Tiere hat schon manch einen Halter in Verruf gebracht und ihn vor äußerst unangenehme Erklärungsnöte gestellt. Aber was unterscheidet einen Tiersammler von einem Tierschützer? Wo endet Tierleid und wann beginnt Artenschutz?
Es gibt sicherlich, wie in fast jedem Bereich, auch unter den Exotenhaltern sogenannte schwarze Schafe, die das Medienlicht auf sich lenken. Im Schatten des Rampenlichts bleiben aber oftmals die wahren Experten zurück: Halter, die sich intensiv mit dem Verhalten und den Bedürfnissen ihrer Pfleglingen auseinander setzen.
Seit rund 15 Jahren halte ich diverse Reptilien wie Schlangen, Chamäleons und Warane. Dabei setze ich mich aktiv für den Schutz dieser Tiere sowohl in Gefangenschaft, als auch in ihrem natürlichen Habitat ein. Während die Haltung exotischer Tiere im Trend liegt, liegen unzureichend informierte Politiker und Pseudotierschützer auf der Lauer. Immer öfters wird für ein generelles Haltungsverbot exotischer Tierarten plädiert.
Dabei haben wir in Österreich (abgesehen von vereinzelten grammatikalischen und fachlichen Unfällen) ein Tierschutzgesetzt per excellence: In der 2. Tierhaltungsverordnung werden nicht nur Mindestanforderungen für die unterschiedlichen Tierarten aufgelistet, sondern etliche weitere Punkte aufgezeigt, die erfüllt werden müssen um eine möglichst naturnahe und artgerechte Haltung bieten zu können. Es wird unter anderem vorgeschrieben sich mit entsprechender Fachliteratur über die Bedürfnisse der jeweiligen Art zu informieren und sich laufend weiterzubilden. Sogar die Beseitigung von Verunreinigungen wird in §5 unter dem Punkt Gehegegestaltung und Infrastrukur explizit erwähnt. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind also in vielen Fällen leicht nachzuweisen und sollten dementsprechend über juristische Wege verfolgt werden.
Es gibt gute Haltungen und es gibt schlechte Haltungen. Letztere dürfen ausnahmslos nicht toleriert werden und erlauben daher keine Verallgemeinerung wie „Exotenhaltung ist Tierquälerei“.
Unabhängig davon ob es sich um Wildtiere oder um klassische Heimtiere handelt, wird eine vertiefende Kenntnis mit Berücksichtigung der verhaltensbiologischen Bedürfnisse für eine artgerechte Haltung vorausgesetzt. Ich bin fest überzeugt, dass eine Vielfalt exotischer Tierarten mit dem notwendigen Know-how deutlich leichter artgerecht gehalten werden können, als es bei einem Hund, einer Katze oder einem Pferd der Fall ist.
In menschlicher Obhut bieten wir Tieren einen gewissen Schutz und Komfort. Komfort in Form des Nahrungsangebotes, medizinischer Betreuung und Schutz vor Konkurrenten, Fressfeinden und ungünstigen klimatischen Verhältnissen. Dafür unterliegen unsere Schützlinge dem Verlust der natürlichen Freiheit und der freien Partnerwahl. Sie sind in ihren Rückzugsmöglichkeiten eingegrenzt und die sonst freie Gestaltung ihres Habitats wird stark von uns beeinflusst.
Fest steht, dass aktuell rund eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Wir befinden uns mittlerweile in einem dermaßen fortgeschrittenem Massensterben, dass vielen Arten in ihrem natürlichen Habitat eine bevorstehende Ausrottung droht. Zu sehr greifen wir in äußerst sensible Ökosysteme ein und zerstören Lebensräume; einen nach dem anderen. Der Erhalt vieler Arten wird sich zukünftig - wohl oder übel - hinter Glas abspielen.
Es handelt sich also um eine Art Verschiebung von der Freiheit in die Sicherheit, wobei man sich vor Augen halten muss, dass der Begriff Freiheit auf menschlichen Wertvorstellungen basiert.
Einen Exotenhalter gleich als Artenschützer zu bezeichnen, wäre sicherlich zu weit gegriffen, denn wer eine Bartagame oder eine Kornnatter bei sich zuhause hält, trägt vielleicht zu einem gewissen Tierwohl, sicherlich aber nicht zum Artenschutz bei. Zumindest nicht mehr als ein Pudelzüchter mit seinem Nachwuchs die Wolfspopulation in freier Wildbahn unterstützt.
Es gibt allerdings auch erfreuliche Beispiele: Durch eine ex-situ Haltung konnten zahlreiche Arten wie die Batagur-Schildkröte vor der Ausrottung in freier Wildbahn bewahrt werden. Diese Erfolgsgeschichten sind oftmals auf einzelne Personen zurückzuführen, die sich – inspiriert durch ihr Hobby und ihre Leidenschaft zu diesen Tieren – für den Artenschutz einsetzen.
Schlussendlich ist es der Terraristik zu verdanken, dass viele Exoten in den letzten Jahren einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangt haben. Während der schwedische Zoologe Carl von Linné im 18. Jahrhundert noch alle Schuppenkriechtiere als „ekelhaft“ und „widerwärtig“ beschrieb, zeigen im 21. Jahrhundert immer mehr Menschen Interesse an diesen faszinierenden Geschöpfen.
Nur was wir kennen, werden wir später auch schützen können.
Nur was uns begeistert, werden wir später auch schützen wollen.